Zu Karl-Heinz Henses Roman:
Zwei Schüsse


Mit zwei Schüssen und einer Leiche beginnt Karl-Heinz Henses neuer Roman. Auf den folgenden 350 Seiten wird es dann noch zu zwei weiteren Todesfällen kommen, einer ganz beiläufig, über den anderen sei nichts verraten, woraus man schließen darf, dass hier nicht eine Kriminalgeschichte im Mittelpunkt steht, obwohl wir Menschen mit mehr oder weniger krimineller Energie begegnen und der Spannungsgehalt der Story manchen guten Kriminalroman locker übertrifft. Dieser Paukenschlag zu Beginn eröffnet die Geschichte zweier Freunde und deren Clique, die schließlich nach einem Zeitraum von fast 30 Jahren zum Ausgangspunkt zurückführt und auch etwas darüber hinaus.

Viel geht es dabei um Musik, um Blues, Rock, Folk, manchmal auch um Klassische, um Musik machen und Musik hören, um Konzertbesuche, aber auch um Musikinstrumente, wie das Foto auf dem Umschlag andeutet. Viele bekannte Bandnamen und Musiker werden erwähnt, aber selbst wer mit Disraeli etwas anderes als eine Platte von Cream verbindet, wird nicht irritiert oder gar überfordert. Für die Protagonisten ist Musik ein wichtiges Thema ihres Lebens, aktiv und passiv, bis hin zum Orgelspiel im Knast. Bei zweien ist der Weg von der Musik- zur Drogenszene allzu kurz.

Auch die Literatur kommt nicht zu kurz: klassische Autoren wie Heine und auch weniger bekannte werden empfohlen. Einer der beiden Freunde ist selbst literarisch tätig. Den Kern des Romans aber bildet das vielfältige, sich wandelnde Beziehungsgeflecht innerhalb der Clique aus 10 Personen und einem Hund, das trotz Krisen, Eifersüchteleien, sexuellen Eskapaden und Anfechtungen von außen eine hohe Stabilität aufweist und deren Fundament aus Freundschaft besteht. Dabei gelingt es dem Autor die komplexen Beziehungen der Personen untereinander, zu ihren bisweilen abwechselnden Partnern, zu ihren Eltern und Geschwistern bis hin zu ihren Kollegen sehr sorgfältig zu entwickeln und gelungen darzustellen. Ein besonderes Augenmerk widmet er dabei den Wandlungen der Beziehungen – oder, wie es an einer Stelle heißt, den verschiedenen Formen der Liebe.

Hin und wieder wird der Leser auf Vermutungen gelockt, die zum Teil erst sehr spät oder auch gar nicht aufgelöst werden. Das ist natürlich ein Stilmittel, was aber gekonnt eingesetzt wird. Aufgelockert wird der Roman durch kleine Einsprengsel, eine gruselige Kurzgeschichte, ein Exkurs über Walter Rathenau, skurrile Limericks, die, obwohl gar nicht oder nur peripher mit der Handlung zu tun haben, dem Roman besondere Farbtupfer verleihen.

Köln, 16. Juni 2012, Klaus Trapp